KAFKAS POE von Wolfgang Spielvogel. Am 15. und 16. November wieder im FAT
KAFKAS POE
In seiner letzten Premiere vor der Sommerpause geht das Frankfurter Autorentheater in der Brotfabrik (FAT) einen ungewöhnlichen Weg: Wolfgang Spielvogel, langjähriger Leiter und Autor des Ensembles, hat sich in zwei Novellen hineingelesen, die auf den ersten Blick unterschiedlich sind. Und doch: Edgar Allan Poe, großer Grusel-Autor des beginnenden 19. Jahrhunderts und Franz Kafka, sprachlicher Surrealist des letzten, finden sich in zwei Novellen wie auf einer Wellenlänge.
In der Erzählung »The Tell-Tale Heart« (nur unzureichend zu übersetzen mit »Das verräterische Herz«) des Amerikaners Poe und Kafkas vieldiskutiertem »Urteil« sind sich die beiden Autoren inhaltlich überraschend nah. Beide beschreiben so etwas wie ungelöste Vater-Sohn-Beziehungen, jeweils aus der Perspektive des Sohnes. Während Kafka den Sohn durch seinen Vater für kaum nachvollziehbare Missverständnisse in den Tod durch Ertrinken treiben läßt, wird bei Poe der Vater vom Ich-Erzähler grausam zu Tode gebracht.
Beide bedeutenden Erzählungen versucht Wolfgang Spielvogel zusammen zu bringen, ihnen gleichsam eine logische Symbiose zu geben: der erzählerische Sog des einen (Kafka), das nahezu leidensvolle, quälende Herzklopfen im Fluss der Novelle des anderen (Poe). Poe und Kafka gewissermaßen gedanklich auf einem Kreuzweg. Ein vielversprechender Theaterabend mit Manuela Koschwitz, Jevgeni Sarmont und Adrian Scherschel als Darsteller und in der Regie von Nenad Smigoc.
Bernd Havenstein
mit Manuela Koschwitz, Jevgeni Sarmont, Adrian Scherschel
Regie Nenad Šmigoc
Aufführungen am 18./24./26.10. und 15./16.11.14 im Frankfurter Autoren THEATER
FRIEDA:
Tot.
Er hat mir den Traum oft erzählt.
„Ich habe dich doch immer geliebt“,
hört er dich zuletzt sagen,
bevor er aus deinem Zimmer geht,
dann über die Straße zum Wasser hin,
dann auf die Brücke,
an ihrem Geländer hält er sich noch fest,
wie ein Hungriger die Nahrung fest hält.
Dann
als der ausgezeichnete Turner,
der er früher war sehr zum Stolz des Vaters,
springt er über das Geländer…