Die Geheimnisse der grauen Clowns

[FNP 22.03.2010] Wolfgang Spielvogels Stück «Buback» in der Frankfurter «Brotfabrik» handelt von der Suche eines Sohnes nach den Mördern seines Vaters.

Der Fall galt lange als gelöst, geahndet und abgehakt. Am 7. April 1977 wurde Generalbundesanwalt Siegfried Buback von RAF-Terroristen erschossen. Verurteilt wurden Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Monhaupt. Ob es damit die richtigen Terroristen traf, stellt sich dem Sohn des Ermordeten, dem Chemieprofessor Michael Buback, und seiner Familie seit Jahren als bestenfalls unaufgeklärt dar.

Weckte ein Telefonat mit dem Ex-Terroristen Peter Jürgen Boock zunächst vage Zweifel an der offiziellen Version, so gelangte Buback bald zu fundierten Einsichten. In seinem Buch «Der zweite Tod meines Vaters» wundert er sich insbesondere über die Schonung jener Frau, die «zu 99 Prozent» das schießende «Hüpferle» auf dem Sozius gewesen sei: Verena Becker. Sein Buch schockierte – und bewirkte noch kürzlich die Teilfreigabe geheimer Akten. Weiterhin lässt es einen Staatsskandal wittern, denn der mögliche behördliche Schutz Verena Beckers und das Ignorieren von Zeugenaussagen werfen Fragen nach den Gründen auf. Waren linker Terror und Geheimdienste über V-Leute unheilvoll verwoben?

Spielvogels Stück ist der Grundform nach dokumentarisches Drama, gewinnt mit dem Sohn Michael Buback als «Rächer» des Vaters aber einen Hauch «Hamlet». Der Regisseur interessiert sich für die Wahrheit, wo sie rein menschlich sollte aufscheinen dürfen: im Wunsch der Angehörigen, die Tatsachen zu erfahren. Wie wird ein staatsfrommer Professor darüber zum Kohlhaas? Wenn Buback (Erich Schaffner) durch widersprüchliche Nachrichten und das Deckeldraufhalten von Beamten und Ministern – hier ein grauer Clownschor mit Insignien der Macht – in Verwirrung gerät, deutet Regisseur Spielvogel dies etwa an, indem er den Blick aufs Schattenspiel hinter dem Vorhang ihm lenkt. Real passierte viel über Telefon, also stellt er eines in Popart-Größe in die Telefonier-Ecke.

Die Jahre des Terrors markieren später eine segmentierte Bildtapete und Herbstwald-Bruchstücke auf dem Boden davor: der bleiern «deutsche Herbst» ist zum Puzzle geworden. Gespielt wird öfter mal aus der Rolle tretend, meist aber unverkrampft realistisch, das Private betonend. Nur Ricarda Klingelhöfer als Bubacks Frau und Brigitte Korn als Buback-Witwe haben noch feste Rollen, die übrigen Fünf «springen». Ein gut inszeniertes Stück, dessen realem Vorbild kein Geringerer als Ex-BKA-Chef Horst Herold bescheinigte, «auf der richtigen Spur» zu sein.  dek

Die Kritik erschien in der Frankfurter Neuen Presse am 22. März 2010 und auf den Webseiten der FNP

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