Ein Schiftsteller im Lotto-Glück [FNP 19.4.2012]

Ein Schiftsteller im Lotto-Glück

Das „Frankfurter Autoren Theater“ startet sein Projekt „Neue Frankfurter Autoren“. Mit Adrian Scherschels „6 aus 49“ ging es auf der Bühne der „Brotfabrik“ los.

Jürgen F. (Nenad Smigoc: lakonisch, spannungsvoll, exzellent) ist Schriftsteller, das heißt: Er hat Probleme mit der Sprache – nicht nur der eigenen. Man fühlt es dem armen Spitzweg-Poeten auf dem Sofa nach. Nachdem er im Prolog im Lotto gewonnen hat, begegnen ihm auf der kargen Bühne (Sofa rechts, Warteecke hinten, Drehsessel, variable Lichtregie) lauter Schnellsprecher, alle gespielt von Linus Koenig. Nun, da F. Geld hat, will ihm jeder etwas andrehen. Er aber ruht in der Sprache, die Arbeit und Lebenssinn für ihn ist, und lässt sie abprallen: den Herrn im Schreibwarenladen, den Lotto-Mann.

F. zieht seinen eigenen Plan durch. Der sieht keine Risiken vor – Lebendürfen dank Geld: Unterhalt für die Tochter, Miete auf Jahre im voraus, Krankenkassenbeiträge. Und so fort. Da schmelzen sogar die Papiere auf der Bühne dahin. Auch eine neue Liebe stellt sich ein. Michaela Conrad spielt sie im Mantel, im roten Kleidchen (passt in eine Männerfaust) oder nackt – und steht auf denselben schönen Beinen wie F.s Ex, die Conrad als Megäre zeigt. Ein gut funktionierendes Stück, das zu sehr auf die These „Geld regiert die Welt“ setzt.

Sinn und Zweck von „Neue Frankfurter Autoren“ ist es, junge oder unbekannte Dramatiker aus Frankfurt vom Werkeln im Geheimen zu erlösen und ans Theater heranzuführen. Vernetzung lautet ein weiteres Ziel. Ulrich Meckler nennt belgische Vorbilder. Die Bekanntgabe des Projekts kommt einem Steinwurf in den Teich gleich: Mal sehen, wie hoch die Wellen schlagen, Strukturen werden schon folgen. Fest eingeplant sind bereits zwei weitere Premieren: Peter Kapps „Die wohltemperierte Disko“ und Jakub Gawliks „Das Fest muss kommen!“.

Wolfgang Spielvogel vom „Frankfurter Autoren Theater“ erhofft sich von Autoren mit „nicht-standardisierten Lebensläufen“ Ideen für die Bühne, die auch sozial relevant sind und mehr Bestand haben als (wie er meint) viele Debüts von schnell verbrannten Zöglingen aus den Schreibwerkstätten. Das Projekt ist offen für Interessenten. (dek)


Artikel der FNP vom 19. April 2012, 03.21 Uhr (letzte Änderung 19. April 2012, 08.25 Uhr)

Eine Antwort

  1. 19. April 2012

    […] Frankfurter Neue Presse [19.4.2012] […]

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