Best!Agers Projekt in der FNP

Bühne frei für Langzeitarbeitslose

Betroffene zeigen im Theaterstück mit dem Titel „Irrland“ ihre eigene Geschichte

In seinem dritten Theaterprojekt „Jobs für best!agers“, also für Menschen im besten Alter, entführt Wolfgang Spielvogel seine Schauspieler und Zuschauer ins absurde „Irrland“.

Bockenheim/Gallus. 

Die Ex-Bankerin Angela S. kennt wunderbare Menschen, die tolle Geschichten erlebt haben. Doch beim Versuch, sie auf eine eigens angemietete Bühne zu bringen, zeigt sich, wie schüchtern dabei viele hinter dem Vorhang hervorschauen. Und doch entsteht daraus ein faszinierendes Schauspiel, eine wahrhaft „irre“ Reise in verborgene und unbekannte Welten.

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Absurde Szenen sind im Stück „Irrland“ zu sehen, für das die Laiendarsteller derzeit proben. Zu sehen ist es im Gallus Theater. Foto: Rainer Rüffer

„Jeder der 23 Beteiligten hat mir seine eigene selbst erdachte oder erlebte Geschichte erzählt, die wir nun zu einem neuen Stück mit dem Arbeitstitel ,Irrland’ zu verweben suchen“, erklärt Wolfgang Spielvogel. Autor und Leiter des Frankfurter Autorentheaters. Da ist etwa die frühere Hotelmanagerin Birgül Babin (51), die den Glanz der Zähne von Sylvie van der Vaart preist, auf ihre Kollegin Sandra Oestmann (56) und den vielgereisten Koch Felice Bisciotti (62) trifft, der sich später zu Tode koksen wird.

Viele Absagen erhalten

Im dritten Anlauf der „best!agers“ trauen sich unter dem Namen „Theater Volare“ (fliegendes Theater) insgesamt 14 Frauen und neun Männer auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Es handelt sich um langzeitarbeitslose Lagerarbeiter, Platzwarte, Sekretärinnen, Ingenieurinnen, sie alle sind jenseits der 50 – einige von ihnen haben weit über 300 Bewerbungen geschrieben und fast nur Absagen erhalten. „Deshalb ist es wichtig, dass die Teilnehmer durch das Schauspiel wieder neues Selbstbewusstsein gewinnen können“, betont Spielvogel.

„Entstanden ist das Projekt aus der Perspektive 50 plus der Jobcenter Frankfurt und Darmstadt. Denn während man sich im Bewerbungstraining und Rollenspielen für Vorstellungsgespräche gewisse Verhaltensmuster gezielt aneignet, dient so ein Theaterspiel viel besser dazu, sich in seinem gesamten Charakter zu entwickeln und so seinen Auftritt im wirklichen Leben zu verbessern“, erklärt Steffen Römhild vom Jobcenter Frankfurt.

Nicht umsonst trat die erste Gruppe im Oktober 2011 noch hinter selbst gestalteten Masken an- so mancher zeigte Scheu, sein Gesicht zu zeigen und sich so mit seiner Lebenssituation in der Öffentlichkeit zu offenbaren. „Wir gestalten unser Stück selber und haben dabei viel Gelegenheit, uns mit Gleichgesinnten auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen“, betont Sandra Oestmann.

Die gebürtige Brasilianerin deutscher Abstammung arbeitete früher als Lehrerin und Hotelmanagerin, doch seit sie in Deutschland lebt, hat sie nach einer Arbeit als Rezeptionistin Schwierigkeiten mit der Anerkennung ihrer Qualifikationen, um in ihren Ausbildungsberufen eine dauerhafte Stellung zu finden. Das Stück bringt viele Möglichkeiten – doch ohne Fleiß kein Preis. „Es mag auf der Bühne Naturtalente geben, ebenso wie im Fußball. Doch was im Sport das Training ist, das sind bei uns die Proben“, motiviert Spielvogel sein „Theater Volare“. Doch ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, auf der Bühne ebenso wenig wie im wirklichen Leben.

Spielbank und Hotel

Groteske Situationen und Schauplätze gibt es auf der Bühne genug- das Hotel gehört ebenso dazu wie eine Spielbank für all die, die durch einen „Brotberuf“ kein Geld mehr verdienen können. „Früher habe ich in Italien und in der Schweiz für Promis gekocht, dann in Deutschland bei meinem Bruder gewohnt und in einer Sattlerei gearbeitet. Doch jetzt bin ich eingeschränkt, kann nichts mehr heben“, berichtet Bisciotti. Doch er hat genug erlebt und spannende Orte gesehen, um sich und seine eigenen Episoden für die „Irrlandreise“ einzubringen.

Das Stück mit dem Arbeitstitel „Irrland“ wird am 22. Mai um 20 Uhr im Gallus Theater, Kleyerstraße 15 uraufgeführt.

(got)

Artikel vom 01.03.2014

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