„Aber das war doch das Glück!“

Der Robert-Gernhardt-Abend des Frankfurter Autoren Theaters in der Brotfabrik

„Ich hab das All, das Nichts gemacht, ich fürchte, es hat nichts gebracht“, lässt Ro­bert Gernhardt den lieben Gott am sieben­ten Tag in seinem Gedicht „Schöpfer und Geschöpfe“ ausrufen. Denn wohin der Dichter auch blickt, tut sich Unvollkom­menheit auf und droht am Ende das Ende. Dagegen hilft nur Humor.
Mit seinem ebenso komischen wie an­rührenden Robert-Gernhardt-Abend un­ter dem Titel „Robert! Weil die Welt uns Gernhardt“ hat das Frankfurter Autoren Theater in der Brotfabrik die Worte des 2006 gestorbenen Schriftstellers zum Fun­keln und Blitzen gebracht. An unzähligen Stellen lachten die Zuschauer laut auf, mit­gerissen vom nie versiegenden Witz des Autors, dargebracht in einer rasanten In­szenierung von Martina Elbert, die auch die vorgetragenen Gedichte und Szenen stimmig zusammengestellt hatte. Von ganz frühen Texten bis zu denen, die Gern­hardt noch kurz vor seinem Tod verfasst
hatte, reichte das Repertoire. Noch schö­ner, so stellte sich während des kurzweili­gen Abends heraus, als Gernhardts Gedich­te zu lesen, ist es, sie zu hören und vorge­spielt zu bekommen. Ihre Wirkung ist an den anderen Zuschauern zu beobachten.
Ihre Kraft konnten die satirischen, im Angesicht des Todes auch sehr berühren­den Texte nicht zuletzt dank der vier Schauspieler entfalten. Die 84 Jahre alte Hertha Georg gewann die Gunst der Zu­schauer, als sie empört über die ver­schwundene Lust lamentierte oder trotzig „ich geh zu deinem Grabe nicht“ als Rap tanzte. Die junge Janina Zschernig wieder­um schlüpfte in die Rolle einer alten Frau, schlurfte mit Gehhilfe über die Bühne und vertrieb grimmig hupend das „Männlein im Walde“. Hinreißende Paarkämpfe foch­ten Cornelia Niemann und Walter Jauernich aus, ob sie sich nun über die Erinne­rung an ihre erste Begegnung uneins wa­ren („Aber das war doch das Glück!“ – „Das war unser Unglück“) oder sich zank­ten, ob das trockene Brot noch zu essen sei. Herrlich auch ihre Darbietung als zor­nige Lektorin und unsicherer Autor, die über den Satz „Wie ein graues Ungetüm lag der Ball auf der grünen Wiese“ anein­andergeraten.
Es gibt einige Möglichkeiten, eines Man­nes zu gedenken, der den Ruf eines moder­nen Klassikers erworben hat. Man kann ihm ein Denkmal aufstellen, wie es der Kulturdezernent der Stadt Frankfurt ger­ne getan hätte. Man kann einen nach ihm benannten Förderpreis vergeben, wie es gerade zum ersten Mal geschehen ist. Oder aber man kann seine Gedichte auf die Bühne bringen. Und laut lachen. Das hätte dem verehrten Vertreter der Neuen Frankfurter Schule womöglich am besten gefallen.

Der Artikel von Katharina Deschka-Hoeck erschien am 12. Sept. 2009 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Copyright des Artikel: Frankfurter Allgemeine Zeitung

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