Kritik zu „Fräulein Julie“ in der FNP

Am Ende gibt es keinen Ausweg

Von Marcus Hladek

Nenad Smigoc vom Maintheater inszenierte als Gast des Frankfurter Autoren-Theaters in der Brotfabrik August Strindbergs Einakter „Fräulein Julie“.

Eine Grafentochter lässt sich zum Bedienten des Vaters herab und von ihm verführen. Zu spät erkennt sie, dass sie sich ihm ausgeliefert, die Machtverhältnisse verkehrt und darum keinen Ausweg mehr hat, als sich zu töten.

So geschieht es in dem „naturalistischen Trauerspiel“, dessen drei Personen (Nele Hornburg als Julie, Viktor Vössing als Jean, Manuela Koschwitz als Köchin Christin) durchweg in der Gesindeküche agieren. Den Blick auf den Amoretten-Brunnen im Garten und dergleichen schenkt sich Smigoc nachvollziehbar, besteht seine Bühne doch aus nichts als einem Tisch unter schwarzer Folientischdecke in der Mitte und einem weiteren hinten nebst Stühlen. Das Küchenmilieu bleibt spürbar, weil Koschwitz in einer kleinen Schüssel etwas zusammenrührt, Jeans Fracklivree zeitweilig den Diener und die Kostümwechsel den eigenen Bereich markieren. Die Kostüme sind heutig, etwas abgetragen oder leger wie Jeans schwarzes Unterhemd, nur Julies Sommerkleidchen fällt aus dem Rahmen, bis ihr Sündenfall ihr einen groben Pullover aufnötigt.

Smigoc und sein Trio setzen das Stück hochkonzentriert und psychologisch in eine Art Stadttheaterstil um, ohne das Spiel bildhaft schillern zu lassen oder subjektiv weiterzustricken. Bei solcher „Texttreue“ liegt alles in und an der Darstellung: Hornburgs sprunghaftem Mädchenwesen, Vössings Schwanken zwischen Zurückhaltung, Aufstiegswillen und Servilität, Koschwitz’ Übergang von der verschlafenen Küchenfrau zur religiös verbrämten Verachtung für Fräulein Julie nach ihrem „Fall“.

Strindbergs zeitbedingte, „wissenschaftlich“-sozialdarwinistische Überzeugung vom Sieg des Mannes und roh-vitalen, halbgebildeten Proleten über die schwache, überreizte Frau von degeneriertem Adel mutiert nach 124  Jahren zu so etwas wie einem frühen Keim des späteren Jean Genet: Herrin und Knecht, Frau und Mann in sadomasochistischer Verstrickung. Eine ordentliche Inszenierung, die indes nie nach den Sternen strebt.

Artikel vom 01.06.2013

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