Pocht es, pocht es nicht? – FR zu Kafkas Poe

Frankfurter Autoren Theater

Pocht es, pocht es nicht?

Von Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau)

Das Frankfurter Autoren Theater zeigt „Kafkas Poe“, ein Stück von Wolfgang Spielvogel.

Besonders schön ist der kleine, dachbodenartige Spielort des Frankfurter Autoren Theaters (FAT) in der Brotfabrik, wenn die Akteure zwischendurch ein Fenster öffnen, durch das man Ausschnitte der umliegenden Dächer sieht. Der in diesem Fall frische Luft schnappen muss, ist der von Adrian Scherschel gespielte Sohn eines im Rollstuhl Sitzenden. Der Sohn hat sich offenbar sehr bemüht ums väterliche Geschäft, nun möchte er heiraten (Manuela Koschwitz ist seine Freundin) und eine Familie gründen. Aber wie ein Mühlstein hängt ihm sein auf verschmitzte Art doch irgendwie böswilliger, verschlagener Vater (Jevgeni Sarmont) am Hals.

Eigenartiges Zeremoniell

Am Anfang der mit einer Stunde sehr übersichtlichen Aufführung schleppt der Sohn den Vater keuchend die Stufen hoch, auf denen sonst die Zuschauerstühle stehen. Und lässt ihn in den Rollstuhl fallen. Später wiederholt sich dieses eigenartige Zeremoniell, denn wäre es nicht einfacher, den Vater im Rollstuhl Stufe um Stufe hochzuziehen?

Nenad Smigoc, auch einer der regelmäßigen Darsteller des FAT, hat diesmal inszeniert. Der Text des Abends stammt von FAT-Chef Wolfgang Spielvogel, er verbindet eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung, wie sie aus Franz Kafkas „Brief an den Vater“ überliefert ist, mit Edgar Allen Poes Geschichte „Das verräterische Herz“. Darin glaubt der Täter, dass das Herz des von ihm Ermordeten (ein alter Mann mit einem blassblauen Auge wie ein Geier) hinter der Holzwand hörbar weiterpocht. Es bleibt offen, ob Spielvogels Sohn, der seinen Vater erstickt, danach wahnsinnig wird. Allerdings unterhält er sich zuletzt mit zwei quasi virtuellen Polizisten.

Das Frankfurter Autoren Theater hat sich, wie schon der Name sagt, vor allem der Produktion neuer Texte aus der Region verschrieben. Man ist dabei auch immer bereit, mit ziemlicher Unbefangenheit etwas zu wagen. Wolfgang Spielvogels „Kafkas Poe“ ist zunächst durchaus reizvoll von Geheimnis umweht. Sexuell zwielichtig etwa die Beziehung der Freundin zum zukünftigen Schwiegervater – oder warum zieht er sie auf seinen Schoß? Und was mag in der Vergangenheit zwischen Vater und Sohn passiert sein?

Am Ende gibt es allerdings zu viele Leerstellen, bleibt die Figurenzeichnung skizzenhaft. Papa wird geschwind abgemurkst, die Freundin duscht und duscht, der Sohn hört’s Herz pochen oder auch nicht. Und „Kafkas Poe“ wirkt irgendwie unfertig.

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