Langer Monolog über das Leben

Langer Monolog über das Leben

Frankfurter Autorentheater bringt Kirchhoff-Solo auf die Bühne der Brotfabrik

 

Andrea kommt nicht. Die Zugnummer des Abends: Eine Stripperin. Jede Attraktion wird zur Attraktion erst durch die Inszenierung, der entblößte Körper allein tut’s nicht. Jede Zeremonie braucht ihren Zeremonienmeister, der Striptease einen Ansager.Der nun findet sich in dem auf das Jahr 1994 zurückgehenden Monolog „Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht auf“, mit dem das in der Brotfabrik ansässige Frankfurter Autorentheater seine erste Saison beschließt, in der Malaise wieder, immer weiter reden zu müssen. Das Publikum will ja bei der Stange gehalten werden. Handelt es sich nun aber tatsächlich um eine Notlage, oder nicht gar womöglich um einen lang ersehnten Moment?

Jedenfalls lässt der Mann sein Leben aus sich heraussprudeln, verschnitten mit Betrachtungen über die Arbeit der Stripperin. Die Partnerschaft, begründet einige Monate vor dem Fall der Berliner Mauer, ist offenkundig eine symbiotische. Schauspieler zu werden war sein Traum. Doch landete er bei dem in den 70-er Jahren gerade grassierenden Psychodrama – und entdeckte seinen Mutterhass.

Aus Andrea wird, anfänglich über eine Irritation hinaus kaum merklich, Andreas. Das ist eines von vielen Motiven, die anrisshaft bleiben. Einem späten Gast in einer Pilsstube gleich mäandert dieser Verlorene über das Leben schlechthin, lässt Fäden fallen und greift sie wieder auf. Bodo Kirchhoff, der als Romancier zum großen Erfolg gelangte, hat das sehr geschickt und planvoll konstruiert.

Schreiben heißt, dem Schmerz eine Welt geben, hat Kirchhoff in einer Frankfurter Poetikvorlesung gesagt. Alles bleibt Andeutung in diesem Text. Wie bei der Erotik geht es um die Verhüllung. Nicht offen gezeigt vermittelt sich eine spannungssteigernde Ahnung der Dinge. Im plüschig roten Ambiente, das die Ausstatterin Sabine Eilers geschaffen hat, mit nichts als einem Thonetstuhl, der eigentlich Andreas Arbeitsinstrument ist, lässt Christof M. Fleischer mit Frack und Zylinder unter Wolfgang Spielvogels Regiehand sehr diszipliniert den Leerstellen des Textes Raum. Nach der Pause tritt eine Projektion von weiblicher Gestalt in Erscheinung. Hätte nicht unbedingt sein müssen. Stark genug ist der Eindruck dieses Solisten. Der Ansager, das vermag Fleischer gewärtig zu machen, redet nicht bloß über, sondern um sein Leben.

STEFAN MICHALZIK

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