Vom Umgang mit der Wahrheit
Wolfgang Spielvogels „Buback“ in der Frankfurter Brotfabrik uraufgeführt
[01.12.09 OP] In den Zeitungen ist viel über den Fall zu lesen gewesen. Der Protagonist ist zu einer medial präsenten Figur geworden: Ein stetiger Gast in den einschlägigen Talkshows und Politmagazinen. Nun also gibt es auch noch ein Theaterstück. „Buback“ lautet mit einer schlagenden Schlichtheit der Titel, uraufgeführt wurde es unter der Regie des Autors Wolfgang Spielvogel beim in der Brotfabrik angesiedelten Frankfurter Autorentheater.
Der Name ist in die bundesdeutsche Nachkriegsgeschichte eingeschrieben: Siegfried Buback, der Generalbundesanwalt, der 1977 als erster Opfer der RAF gemeinsam mit zwei Begleitern in Karlsruhe umgebracht worden ist. Sein Sohn Michael, Professor für physikalische Chemie an der Göttinger Universität, meldet Zweifel ari der offiziellen Version des Tathergangs an.
Um diesen Buback, den Sohn, geht es an diesem Abend vor allem. Michael Buback will wissen, wer die Mörder seines Vaters gewesen sind. Widersprüche, Indizien und Zeugenaussagen fügen sich zu einem Bild, dass es so, wie behauptet, schwerlich gewesen sein kann. In Buback, einem staatstreuen, konservativen Geist, nährt sich der Verdacht, dass Organe des Staates, Bundeskriminalamt, Verassungsschutz und Justiz Unseliges vertuscht haben.
Es passieren, aus der Sicht Michael Bubacks und seiner Familie, die Vorgänge, die Fakten Revue, in einem Erzähltheater, dass an die Traditionslinie Brechts und deren Weiterführung durch Dario Fo anschließt. Auch das Dokumentartheater eines Peter Weiss ist als Bezugspunkt zu nennen. Stimmen des Zweifels, hinter einem Vorhang zum Teil, dann als graue Trias von Männern mit weißen Gesichtern, bedrängen Buback. „Ich zähle eins und eins zusammen – und will wissen, warum die Behörde drei sagt.“
Michael Buback, gespielt von dem seinem wirklichen Vorbild nicht ähnlich sehenden, aber mit einem badischen Akzent sprechenden Erich Schaffner, kämpft für die Wahrheit, gegen alle Widerstände. Nach der Pause sind er und seine von Ricarda Klingelhöfer dargestellte Frau für lange Zeit die Zuschauer einer Farce. Buback ward zunächst als Spinner mit Vaterkomplex abgetan, seine Argumente aber sind zu stark; der im Stück als beharrlicher konservativer Kohlhaas, als eine Faulheit im Staate geißelnder Hamlet Charakterisierte merkt, dass er schließlich doch ernst genommen wird.
Dem Theater ist es gelungen, eine so nüchterne wie eindrückliche Darstellung eines Konflikts um das Recht auf die Wahrheit und ein – vermeintlich – höheres Interesse des Staates zu geben, das der ehemalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble durch die Sperrung der Akten glaubte schützen zu müssen. Es geht um mehr als um die Genugtuung eines Einzelnen. Für die Bundesrepublik, für den Staat, auf dem die Sache lastet, wird die Vergangenheit nicht vergehen, bis Aufklärung geschaffen ist. [zik]
Der Artikel erschien am 1. Dezember 2009 in der Offenbach Post