Kommentar unseres Autors Klaus Gietinger

[17.10.2010]

Säger for ever!

Der Spielfilm Heinrich der Säger wurde am 7. Juni 2001 (!)  im Beisein der Hauptdarsteller und der Aktivisten gegen Stuttgart 21, darunter ihrem Sprecher Gangolf Stocker, in einem vollbesetzten Stuttgarter Kino in Hauptbahnhofnähe uraufgeführt.

Nach der Vorführung verlas Heribert Weber, der Darsteller des sich vertrottelt gebenden, aber bauernschlauen schwäbischen Bahnchefs, eine Resolution, die sich nicht nur gegen Stuttgart 21 sowie andere zerstörerische Bahnprojekte und Milliardengräber wandte, sondern gegen eine grundsätzlich falsche Bahnpolitik:  Privatisierung, Börsengang und Reduktion auf wenige sündteure umweltzerstörerische Bolzstrecken, bei gleichzeitigem Rückzug aus der Fläche, um den Konkurrenten Auto und Flugzeug das Feld zu überlassen. Der erste Bahnchef der privatisierten gesamtdeutschen Bahn DB AG, selbst Eigner des größten Autolackherstellers der Welt, bezeichnete zu Beginn seiner Amtszeit das Schienennetz der Bahn (damals noch 42 000 Kilometer) vom Immobilien-Standpunkt aus als pures Gold. Er legte sogleich einen Plan zum Schienenschlachten vor, welches das Netz in einem ersten Schritt auf die Hälfte reduzieren sollte. Als dies zu öffentlichen Protesten führte, wurde der Plan verdeckt und Schrittchenweise durchgeführt. Seit der „Bahnreform“ 1993 wurden 7000 Kilometer Schiene – vor allem im Osten – stillgelegt. Jedes Jahr kommen Hunderte Kilometer dazu. Dürr und der damalige Verkehrsminister Matthias Wissmann, heute Chef des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA) waren es auch, die, die 21er Projekte auflegten, womit 25 große Bahnhöfe sonderbehandelt werden sollten. Fast alle großen Kopfbahnhöfe (München, Frankfurt und Stuttgart) standen zur Untertunnelung an oder sollten durch Bahnhöfe außerhalb der Stadt ersetzt werden (Lindau). Weiterer Widerstand – auch in Frankfurt – ließ nur eins dieser Projekte übrig Stuttgart 21. Auch der Börsengang scheiterte am massiven Widerstand in der Bevölkerung. Der ehemalige Flugzeugmanager Hartmut Mehdorn, Mann des Autokanzlers Schröder, versuchte über einen  lange Zeitspanne das Zerstörungswerk Dürrs fortzusetzen. Er hat in dem Ex-Daimlermanager Rüdiger Grube einen würdigen Nachfolger auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden der DB AG gefunden.

Die Grünen sind heute die Profiteure der Gegenbewegung, obwohl sie viele Schritte dieser Verschleuderung von öffentlichem Eigentum und der Privatisierung mitmachten.

Die Bahn wirkt inzwischen als Global Player, investiert Unsummen aus Steuergeldern in den Kauf ausländischer Verkehrsbetriebe, macht sich mit gigantischen LKW-Speditionen selbst Konkurrenz, lässt weiter die Infrastruktur im Land verkommen, spart bei den Achsen, wie bei den Klimaanlagen, lässt Weichen und Gleise rausreißen, Bahnhöfe zu Hunderten abkacken, legt weiter Jahr für Jahr umfangreiche Strecken still und strebt immer noch die Verschleuderung unseres Gemeineigentums an. Doch der Widerstand wächst: In Stuttgart und anderswo. Die Bahn muss für alle da sein. Wir brauchen eine Flächenbahn, mit hohem Takt und hoher Netzgeschwindigkeit, nicht einzelne Bolzstrecken und Milliardengräber. Die Schweiz macht es vor, wie Bahnverkehr aussehen kann: Man kommt überall zu jeder Zeit hin und die Kultur des Reisens wird nirgends zerstört.

Die Bahn gehört uns allen. Holen wir sie uns zurück!


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