Der Zeit weit voraus. Gespräch mit Wolfgang Spielvogel (Strandgut 12/2010)

Hinten links in der Hausener Brotfabrik.
Eine enge winklige Treppe führt in den 2. Stock, an einer Bar und dem Konzertsaal vorbei. Dann ist man da: in der bescheidenen Spielstätte des Frankfurter Autorentheaters, FAT. 
Ein kleiner, dunkler Raum für große, lichte Momente – wenn man so will. Einer davon ist die schöne Sitte, daß es nach jedem Stück bei Brot und Rotwein die Gelegenheit zum Gespräch mit den Künstlern gibt. Aber auch sonst stößt Bühnenchef Wolfgang Spielvogel Türen auf und findet weit über die Theatergemeinde hinaus Resonanz.
Offensichtlich leitet den Frankfurter Theatermacher ein Gespür für gesellschaftlich-relevante Themen. Die Aufführung »Mißbraucht« sei schon vor dem Eklat um die Odenwaldschule gespielt worden, sagt er. »Heinrich, der Säger«, dem ein Spielfilm von Klaus Gietinger über einen sich gegen Streckenschließungen wehrenden Bahnwärter zugrunde liegt, habe er lange vor der Eskalation um Stuttgart 21 geplant. Und ohne Ahnung davon, daß just dieser Film bei der Gründung der Bürgerinitiative im Jahr 2001 Pate gestanden habe.

Die brisanteste Vorstellung, »Buback. Der Staatsskandal«, sei ihrer Zeit sogar weit voraus. Die darin behandelte Recherche von Michael Buback über den Mord an seinem Vater, dem Generalbundesanwalt, durch die RAF im Jahr 1977 ist Grundlage des laufenden Prozesses in Stuttgart-Stammheim gegen Verena Becker. Das Gericht hat noch Anfang November eine von Buback entdeckte Tatzeugin verhört, die FAT-Besucher schon vor zwölf Monaten im Beisein des Autors als Figur erleben konnten. Spannender kann Theater nicht sein. Am 21. Januar 2011 wird das Stück in Karlsruhe am Staatstheater gezeigt, am 14. Januar schon steht es wieder in Hausen auf dem Plan.

Spielvogels Erzähltheater, das in enger Kooperation mit den Ensembles entsteht, mag prägend für das FAT sein, bestimmend ist es nicht. Das seit vier Jahren in Hausen verfolgte Konzept will ganz dem Namen verbunden in erster Linie eine Plattform für Frankfurter Autoren sein, die ausgerechnet auf heimischen Bühnen wenig beachtet würden. Wie alle Aufführungen von »Buback«, so sind auch Sengers »Kaiserhofstraße 12« und die Revue »Robert. Weil die Welt uns Gernhardt« dauerausverkauft. Was freut und jammert. Weil eine Maxi-Kapizität von 60 Gästen der Wirtschaftlichkeit enge Grenzen setzt, tut Erfolg immer auch seelisch weh.
Winnie Geipert

http://www.strandgut.de/2010/H1012/inHeft.htm

Gegenüber der Print- und Online-Ausgabe des Strandgut haben wir die Aufführungsdaten des Stücks BUBACK korrigiert. (FAT – Online-Redaktion)

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