Heinrich der Säger
Heinrich der Säger
nach dem Film von Klaus Gietinger
für das Theater bearbeitet von Wolfgang Spielvogel
Aus der Kritik der Offenbach Post: „Das flotte, gewitzte Ensembletheater wurzelt in Brechts epischer Theorie. Die Darstellungsweise ist pointiert, aber nicht albern. Dynamisch läuft das schnurrend, und es dreht an keiner Stelle hohl. Nicht zuletzt gilt es, eine Entdeckung zu feiern: Iris Reinhardt Hassenzahl entfaltet einen komödiantischen Spielwitz, der aus der Ensembleleistung hervorsticht.“ Weitere Kritiken in der FR und FNP (siehe Menü Presseartikel)
Nachts ist er mit einem Trennschleifer auf den Gleisen unterwegs und sägt Stücke heraus. „Tod dem Autowahn, es lebe die Eisenbahn!“ Dieses Motto lebt der „Säger“:
20 Jahre und mehr hat Kurt Grantke die Schranken auf „seiner“ Strecke bedient und pünktlich und zuverlässlich die Weichen gestellt. Als die Strecke privatisiert und stillgelegt werden soll, gerät für Grantke die Welt aus den Fugen. Er entschließt sich zum Widerstand. Von einem Unbekannten, der sich HEINRICH DER SÄGER nennt, werden Schienenstücke herausgeschnitten und als Signal des Widerstands der Bahnverkehr empfindlich gestört.
In diese radikale Widerstandsaktion mischen sich Verbündete und Gegner. Da ist zunächst der polizeiliche Aufklärer in Gestalt von Kommissar Stahl, der bald ahnt, dass es eine enge Verbindung zwischen Kurt Grantke und Heinrich dem Säger gibt. Seinen Verdacht möchte er aber nicht so schnell befriedigen: Er zimmert an einem gewaltigen terroristischen oder großkriminellen Fall, der Bedeutung für einen Karrieresprung aus der Provinz haben soll.
Dann ist da Heiko, der Freund der Tochter. Als er das nächtliche Treiben seines potentiellen Schwiegervaters herausfindet, will er mitmachen – einmal aus familiärer Solidarität,, aber mit gleichem Elan, weil er aus „ehrenamtlichen“ Protest und Widerstand ein professionelles Projekt mit anständiger Lösegelderpressung machen will.
Und schließlich der Pfarrer: Er will verhindern, vermitteln, verhandeln. Eindruck wird dies aber nur machen, wenn es richtige Gegner gibt.
Und: Die Frauen …
Aus dem authentischen Widerstand wird ein Knäuel von Interessen, Lobbyismus, Popanz, Wichtigtuerei und Lüge. Idealistisches vermischt sich mit Eigennutz und Wunschträumen aller Beteiligten. Kann man noch unterscheiden, wer welche Rolle spielt und welche Absichten wirklich verfolgt werden? Und die Öffentlichkeit will eine Steigerung der Spannung: Mehr Gefahr, mehr Hinterlist, mehr Verbrechen …
HEINRICH DER SÄGER ist eine skurrile Krimikomödie, ein Stück zum Thema Romantik, Widerstand und Technikfaszination.
Uraufführung am 12. November 2010 im Frankfurter Autoren Theater.
Mit Iris Reinhardt Hassenzahl, Detlev Nyga, Erich Schaffner, Sascha Weitzel und Viktor Vössing.
Ausstattung: Sabine Eilers
Licht: Peter Marlin und David Merges
Regie: Wolfgang Spielvogel
Fotos: Alexander Paul Englert und Norbert Saßmannshausen
Die Begeisterung an Dampf, Technik und der Eroberung des Raumes schuf die Eisenbahnromantik, die verstanden werden kann als wehmütiger Abschied von der letzten großen Industrieetappe, die noch beherrschbar und begreifbar war. Die Eisenbahn stellt die Verbindungen her – nicht nur zwischen Freund und Feind, zwischen Liebenden, Eroberern, auch zwischen Tod und vielfachem Mord, zwischen Freiheit, Heimat und dem Fremden.
Auf der Grundlage eines Filmdrehbuchs von Klaus Gietinger hat Wolfgang Spielvogel ein Stück geschrieben über Gefahr und Sehnsucht, Kalkül und Aufklärung und dabei die Erzähl-Dramaturgie seiner Valentin-Senger-Dramatisierung KAISERHOFSTRASSE weiterentwickelt. In Zeiten, da Täuschung gefordert wird und Authentizität ins Abseits führt, wird ein kollektives Erzählen von Geschichten und Geschichte zum Gegenmodell erklärt:
„Wichtig ist nur, was Folgen hat“ oder „Nur was ich verändere, begreife ich“, das sind Sprüche eines Denkenden, dem Bertolt Brecht ein ganzes Stück widmen wollte. Das Stück wurde nicht zu Ende geschrieben. Sein roter Faden wird in der Geschichte von HEINRICH DEM SÄGER wieder aufgenommen.
Ich kenne das Stück nicht, schrieb das Folgende nur aufgrund des Artikels in der FR vom 16.11.10 und als Winkewinke an W. Spielvogel und E. Schaffner:
Die kleine Ballung
Die kleine Ballung
in der Wallung
Die kleine Wallung
führt zur Ballung
„Gemeinsam sind wir …“
schwach!
Ach!
Gemeinsam mit DIR
wären wir
stark,
– so einsam wir auch
in diesem Leben,
denn mmit solcher Vor-
Lieb liegt man daneben!
Heinrich, der Säger,
sägt an der Strecke,
Wolfgang, der Vogel,
spielt dies Stück kecke
gezeigt werden solle,
wie Idealismus
zu Gewalt ausrolle!
Mogel doch nicht!
Du willst Leute wecken,
sich aufzurecken
gegen GOTT den Moloch!
So ist es doch!
Sie soll’n sich nicht fügen,
nicht aufhör’n zu lügen,
nicht aufhör’n das Wetten,
daß von den Ketten
der Mensch sich befrei’n
muss,
er da lieber schrei’n
muss
aufmucken statt ducken,
es jucken die alten
tiefroten Läuse
im Pelz und es
tanzen die Mäuse,
wo die Katz
außer Haus,
übermorgen wird wieder
Marx und Lenin
daraus.
Nagut.
Abgehakt ist nicht abgehakt.
Abgehakt ist nicht aufgehängt.
Die Zeit drängt.
Auf der Wiese die Liese
flicht abends die Zöpfe
die grünen, wie Tröpfe,
die hängen länngst störend
im Weg
in Töpfe
– Sind sie noch Beleg
eines tiefgehegten
lang verlegten
und doch gepflegten
heimlichen Wunschs:
Erkennt mich wieder, Brüder!
Erkennt mich, Schwestern!
Nester bauen,
die Oben verhauen,
dem Gott nicht vertrauen,
den Krebs ausrotten,
Cholera vermotten,
Armut vernichten
und dichten ein Lied,
wo es keiner sieht
und keiner hört,
wo es niemandem Last wird
und keinen stört!
Das leise Lied,
falsch angestimmt,
das einen einzigen Tag
durchzieht und trimmt.
Das leise Lied,
in den Wind gesprochen,
es tat nicht drücken,
es tat nicht jochen,
es tat keine Flammen schlagen,
es tat die Kaninchen nicht jagen!
Idyll will
Lebenskraft
in vollem Saft.
Wo die Hühner, die Gänse, die Enten
wegen Verkauf des Bahnhaus’s nicht flennten,
sondern stille sich aufzehr’n lassen,
da findet man keine Massen,
da findet man kein Gebell,
da rottet sich nichts in der Schnell‘,
da brutzelt das Fleisch in der Pfanne
und wanne
es wieder was geben wird,
wenn Idyll verzehrt,
das weiß nur Der Liebste
im Herzen mein und nichts,
was ER gibt, ist verkehrt!
Verkehrt sind nur wir selber
und unser kurzer Sinn,
der hinterm Tod nichts erwartet:
Da ist doch nix mehr drin!
Die Kirche hat uns belogen!
Da kommt schon wieder
’ne päpstliche Verlautbarung
geflogen!
Ja, diesmal hat er recht,
(aber neu ist’s nicht und
darum schlecht?):
„GOTT IST DIE LIEBE!“
Willst du das zu Ende denken?
Zu Anfang! Zu Anfang!,
schreit fröhlich ein Kind,
Denk es zu Anfang!
Ein Ende ist nimmer!
Die Blätter beutelt ein herbstlicher Wind
und fegt sie über die Flächen:
Der Unglaube wird sich rächen!
Du verengst dir die Adern
vom Herzen her,
es tröpfelt das Blut,
das Leben wird schwer,
die Hand wird matt,
Energie fehlt sehr,
was voll war, wird platt!
Das Herz, das bist doch DU!
Geweitet die Adern!
So laß es doch zu
daß die Liebe dich füttert,
dich nährt und versorgt!
– Alles Unsre ist
Abklatsch nur und geborgt,
ist Kitsch und Kram und Überfluß,
an dem sich räkelt ein Überdruß…
Willst du wirklich weiter
blöffen und plustern?
Wo doch in Wirklichkeit
tappst im Dustern!?
Willst weiter den Dicken markieren?
Das Ficken mit netten Worten garnieren?
Willst weiter gründen auf Sünden?
Gott verzeiht, Gott verzeiht!,
die Krähe krächzt es
Und ist gar nicht weit!
Und die Möven schreien es
gierig nach Brot
und das Hochwasser gurgelt:
Haiti in Not!
Und die Frucht unsres Tuns,
die droht und droht …
…und doch gibt es
ein Gegenmittel,
es heißt LIEBE!
Versuch es im Achtel, im Drittel,
räum wenigstens ein Sechszehntel aus
das Gerümpel aus deinem innern Haus!
Ich hab mich auf den Thron gestellt,
da oben thron ich, verbeuge dich Welt!
Wir sind ein Paar,
du bist mein Kleid!
– Der Lampenschirm
aus Menschenhaut
schreit.
– Das ist nun ein Samstag
und Mittag vorüber,
hinter Wolken die Sonne,
ein Herbsttag, ein trüber.
Es gelüstet mich …?
Ich brüste mich?
Und wüßte nicht?
Wer die Liebe über
die Weisheit stellt,
der gewinnt das Leben,
die Wahrheit – nicht Welt!
Er gewinnt, was ewig mehr
wiegt und zählt,
dich, Bruder, die reine Liebe,
das ist nicht so schwer,
wenn die Berechnung erkannt
ist, die sehr im Hintergrund
mitgemischt
des anscheinend Guten,
in Wirklichkeit schadend,
beschleunigt Verbluten:
Die guten Taten fließen nur aus
und es wird keine helfende Liebe daraus,
weil sich die Täter nicht rückversichern,
Kobolde tanzen ums Tun und kichern:
Das haben wir wieder gut gemacht!
Eigenlob lodert bis zusammenkracht
das ganze Gebäude der Menschen!
Es fehlte die Rückversicherung,
Frage an DICH:
DU, Ewiger, keiner weiß es, nur DU,
was aus dieser Tat wird
in der Kette des Nu,
in der dem Jetzt ein Jetzt
stets folgt auf dem Fuß
und ergibt so ewiger Zeiten Fluß
(Fuß und Fluss das reimt sich schlecht,
lang und kurz das paßt nicht recht!
Wer wollte das nicht hören!
Wen etwa tät’s nicht stören!)
(Zurück!)
Aus dem, was du heute getan,
erwächst vielleicht ein Tamerlan!
(nun muß ich erst im Wiki schauen,
was mir da zugefallen beim Versebauen!)
Aus dem, was du heute ganz kurz gedacht,
hast du dir morgige Krankheit gemacht.
Aus dem, was du eben dem Bettler geschenkt,
hat der sich weiteren Hochmut gerenkt.
Aus dem Ei, das du heute vom Nachbarn geborgt,
ist Freundschaft entstanden, die kümmert und sorgt.
So sei der Plan Zur Prüfung DIR,
Dem ewigen Gott, vorgelegt!
Und erst mit Deinem Segen,
mit Deinem Stempel: Geht klar
über Tag, über Woch, über Jahr!
ist ihm die gute Frucht beschieden.
Drum auf zur Tat, sie nicht gemieden!
D i e Tat, die tu!
Die a n d r e laß!
Es verblasse
dein heimlich Begehren nach Ruhm!
Verborgen getan, Mein Werkzeug,
summ summ …
erinnere dich der Fliege,
die unerkannt singt vom Siege
des Dienens ohne Dank und Lob,
der Demut, die das Herze hob
in lauter Freude und Lieb!
Ja, frage nicht,
du Bleichgesicht,
dein Ränken, Schillern, Schmieden,
sondern frage MICH
hienieden
und auch dorten,
wo schwerer Leib vom Orten,
wo substanzieller überblieb …
und endlos ewig lernt Geist Lieb
– so er es will,
er ist da frei
in aller Ewigkeit!
Die Freiheit ist das Ei,
aus dem da schlüpfen kann
die Lieb,
gib Wärme hin,
daß es was wird,
daß nicht umsonst gebrütet
und roter Zorn nur wütet!
Den Mut, die eigenen Genossen
vorn Kopf zu stoßen,
die noch Trossen falschen Führern folgen,
noch nicht können fassen,
daß Jahre viel verlassen
lebten sie dahin
mitleidend mit den Armen zwar
– so etwas Lieb im Sinn –
doch nicht verstehend DICH,
DER Armut bat zu Tisch,
ohne sie je auszumerzen,
daß Reich erbarme sich im Herzen,
daß Demut endlich wird gelernt,
ohn‘ die sich Liebe nur entfernt…
So auf! Die Armut grüßen!
Ihr küssen auch die Füßen!
Ein Loblied gar der Armut,
wo sie mit De… gepaart,
wo stille sich der Liebeskraft
das Schönste aufgespart!:
Die Freude an der Schöpfung,
die Freud an Tag und Nacht,
die Freude an dem Unkraut,
das in der Stadt noch lacht,
die Freude an der Krähe,
die sich zusammensucht,
der Freude an den Tauben,
die – töricht! – sehr verflucht,
die Freude an dem Spatz,
der – husch – enthüpft der Katz,
die Freude an dem Kind,
des‘ Eltern nicht verwöhnen,
die Freude an solch‘ Eltern,
die uns mit Gott versöhnen,
die Freude an dem Rest,
die Sehnsucht, daß ein Fest
der Liebe einstens allen wird,
die Träne rührt’s:
Gott hat sich dafür eingeschirrt!
In d e m Gedanken werd ich weich,
– ja, dahin führt’s! –
und kann mich kaum noch halten.
Im Herzen ist das Gottesreich,
nichts bleibt, wie’s ist, beim Alten!
15h55
Elisabeth Steffen
20. November 2010
gewidmet Wolfgang Spielvogel
und Erich Schaffner
Ausgehend vom Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 16.11.10
‚Die kleine Wallung „Heinrich der Säger“ in Frankfurt, von Christoph Schröder‘
(Lissi)