Ein ungewöhnliches Ensemble [FNP 12.08.2011]

Ein ungewöhnliches Ensemble

Mit einem Theaterprojekt will das Job-Center Langzeitarbeitslose über 50 fit machen für Bewerbungsgespräche und einen neuen Job.

Frankfurt. Der Dudelsack fehlt. „Dann proben wir halt ohne“, entscheidet Wolfgang Spielvogel. Niemand aus dem 25-köpfigen Ensemble widerspricht dem Regisseur. Für alle ist es ein ganz normaler Arbeitstag im Gallus-Theater mit Atem- und Bewegungsübungen, mit Gesangs- und Szenenprobe. „So“ heißt das Stück, an dem sie gerade arbeiten. Geschrieben hat es Wolfgang Spielvogel. Premiere ist am 13. Oktober. Das besondere an dem Projekt ist: Keiner der 25 Akteure auf der Bühne ist professioneller Schauspieler.

Alle möglichen Berufe haben sie, manche von ihnen auch künstlerische. Einen bezahlten Job hat indessen keiner. Alle Ensemble-Mitglieder sind über 50 Jahre alt und langzeitarbeitslos. Sie leben von Hartz IV, und seit Mitte März auch von der Hoffnung, dass das Theaterspielen ihrem Leben eine Wende geben könnte.

„Zusammengewürfelt hat uns der Zufall“, sagt Edith Stein, seit etlichen Jahren arbeitslose Diplom-Pädagogin. Damit liegt sie nur zum Teil richtig. Dass es dieses Projekt überhaupt gibt, ist Ergebnis der Überlegungen von Maria Böhm und Katja Gramsch vom Team „Best Ager“ im Job-Center. So heißt sie tatsächlich, die Abteilung, deren Aufgabe die Vermittlung älterer Arbeitsloser ist. Etwas anderes als den wer weiß wievielten Bewerbungskurs wollten die beiden Vermittlerinnen ihren Kunden bieten und kamen schließlich auf das Theaterprojekt. „Weil die Leute das freie Sprechen lernen, weil sie ihr Gedächtnis und selbstbewusstes Auftreten trainieren“, erläutert Katja Gramsch die Vorteile des neuen Projektes.

Sorgfältig ausgesucht habe sie die Kunden, die sie für geeignet halte. Leute mit künstlerischen Berufen seien darunter, ein Sänger, ein Musiker, eine Musiklehrerin beispielsweise, aber auch eine Finanzfachfrau, eine Schneiderin, ja, und mit Edith Stein eben auch eine Diplom-Pädagogin. „Alle diese Berufe sind, wenn auch in unterschiedlichen Bereichen, in einem Theater zu finden“, sagt Katja Gramsch.

Das Theater-Projekt lässt sich das Job-Center 2400 Euro pro Kunde kosten. „Gut investiertes Geld“, wie Katja Gramsch findet. Eines der Ensemble-Mitglieder sei bereits in einen Job vermittelt. Das Projekt solle im kommenden Jahr fortgeführt werden, mit neuen Teilnehmern.

Für das Stück mit dem schlichten Titel „So“ hat Wolfgang Spielvogel aus dem Vollen der sehr unterschiedlichen Biografien seiner Laien-Darsteller geschöpft, die aus aller Herren Länder stammen. „Für mich als Autor ist die Gruppe wie eine Goldmine, in der ich nur noch schürfen muss“, sagt er. So üppig der Stoff, aus dem sich Theaterstücke weben lassen, auch sein mag, unterscheidet sich die Arbeit mit den Langzeitarbeitslosen indessen deutlich von der mit Profis. Viel Geduld brauche es, so Spielvogel.

Kommunikation lernen

Die meisten der Projektteilnehmer hätten sich nämlich erst wieder an regelmäßige Arbeitseinsätze, manche sogar an Kommunikation und Austausch mit Mitmenschen gewöhnen müssen. Inzwischen hätten sie sich gefunden, manche gar über das Projekt hinaus. „Einige planen gerade, sich gemeinsam mit einer Firma selbstständig zu machen.“ Mit Theater habe das nichts zu tun. „Aber mit dem richtigen Leben, unabhängig von staatlicher Unterstützung“, sagt Wolfgang Spielvogel. (enz)

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