Der große Irrtum vom Glück [FR 12.09.2011]
Das Frankfurter Autoren Theater mit „Tillas Tag“
Von Christoph Schröder
Pucki hat alles gesehen, Danny allerdings nicht. Pucki sitzt im Käfig, Danny im Knast. Pucki ist ein Kanarienvogel, Danny ist Tillas Ehemann. In Freiheit sind die beiden sich nie begegnet. Er hat eine Kontaktanzeige geschaltet, sie hat sich gemeldet; die Hochzeit dauerte sieben Minuten. Seitdem schreiben sie sich. Danny hat eine Frau vergewaltigt und ermordet. In der Nacht vor seiner Entlassung nimmt Tilla Walter mit nach Hause. „One Night Stand“ heißt das normalerweise, doch hier ist nichts normal. Es ist die Nacht vor „Tillas Tag“.
So heißt das Theaterstück, das Ludwig Fels, 1985 Stadtschreiber von Bergen-Enkheim, für die Frankfurter Positionen 2001 geschrieben hat. Seither blieb es ungespielt. Nun feierte „Tillas Tag“ unter der Regie von Ellen Schulz, die bei der szenischen Lesung vor zehn Jahren mitwirkte, im Frankfurter Autoren Theater Premiere. Ein trauriges Stück. Eines, in dem Tillas Einsamkeit jederzeit greifbar ist. Ihr Selbstbetrug auch.
Tilla arbeitet in der Postsortierstelle. Ihre eigenen Kommunikationsversuche laufen ins Leere. Mit Walter könnte es vielleicht etwas werden. Es gibt Annäherungen, Verständigungen. Tilla (Claudia Brunnert) ist keine Schönheit, keine Gewinnerin. Walter (Detlev Nyga) ist kein Charmeur. „Was willst du hören?“, fragt er. „Etwas, was mich betrifft, mich als Frau“, sagt sie. Da fällt ihm nur ein „Danke“ ein.
Als Walter gegangen ist, wird Tillas triste Einzimmerwohnung zum Schlachtfeld. „Heute ist der schönste Tag meines Lebens“, sagt sie. Ein Irrtum. Es treten auf: Tillas Schwester Annegret (Manuela Koschwitz im noch dezenten Schlampenlook), einst auf Platz 18 in der Endausscheidung bei der Wahl zur Miss Frankfurt. Und Gratto (Adrian Scherschel), Dannys bester Freund; einer, dem man nicht im Dunkeln begegnen will, bis unter den Scheitel angefüllt mit mühsam unterdrückter Wut. Gratto glaubt, Dannys Rechte wahren zu müssen. Tilla geht es um Anerkennung, Gratto um die Ehre. Und um das Geld für die Hochzeitsreise, die er angeblich gebucht hat. Wer nicht kommt, ist Danny. Entlassen worden ist er, aber wo ist er hingegangen?
Die Atmosphäre wird zunehmend aggressiv; die schwüle Hitze am Premierenabend tut das Übrige. Immer drängender stellt sich die Frage, wer hier frei ist und wer nicht. In der Erwartung des vermeintlichen Glücks hat man sich selbst eingeschlossen. „Mein Körper ist mein Gefängnis“, ahnt Tilla. Aus dem entflieht sie schließlich, um einen hohen Preis.
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