Schillernde Groteske – FR-Interview mit dem Regisseur von WELT KRIEG SCHWEJK
Schillernde Groteske
Von Ulrike Krickau
„Welt Krieg Schwejk“ feiert Premiere im Frankfurter Gallus Theater. Ulrich Meckler hat die Romanvorlage für die Bühne eingerichtet und die Hauptrolle des Soldaten mit einer Frau besetzt. Unsere Autorin Ulrike Krickau spricht mit dem Regisseur.
Herr Meckler, wie haben Sie den Roman „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ von Jaroslaw Hašek fürs Theater aufbereitet?
Es ist eine richtige Dramatisierung des Stoffes. Der „Schwejk“ galt ja in Tschechien als Groschenliteratur. Erst als Max Brod, Freund von Franz Kafka, sagte, das sei Literatur, ist es als eines der großen Werke der grotesken Weltliteratur anerkannt worden. Ich betrachte die Groteske in unserer Zeit als eine Form des Realismus.
Was macht den Schweijk für Sie spannend?
Schwejk ist kein gemütlicher, pfiffiger Kleinbürger mit Pfeife. Hašek wollte mit seinem ganzen Leben, aber auch mit dieser Figur und diesem Buch seinen abgründigen Hass auf Macht, Militär und Bürokratie ausdrücken. Kurt Tucholsky hat etwas Wunderbares gesagt: „Der Schwejk ist eine Kugel unter lauter Rechtecken.“ Aus diesem Grund wird der Schwejk bei uns mit einer Frau besetzt.
Hašek selbst war ja meist betrunken.
Er war ein schwerer Alkoholiker, mittags ist er in die Kneipe, hat so seine sechs, acht große Bier getrunken und in einer filigranen Schrift Geschichten verfasst, die er um halb 6 in die Druckerei brachte.
Ist dem Roman seine Produktionsweise anzumerken?
Viele der burlesken Episoden des Romans hat Hašek geschrieben, weil die abends in der Kneipe gut ankamen. Die haben wir weggenommen. Man kann lachen bei unserem Stück, es wird sehr lustig, aber es ist eine bitterböse, antimilitaristische, antibürokratische, anarchische Groteske.
Womit wir ja schon wieder bei Hašek wären. Er gehörte zu den Anarcho-Syndikalisten.
Richtig. Es war mir vorher gar nicht klar, was für eine enorme Bedeutung der Syndiko-Anarchismus in Böhmen in den Industrierevieren hatte. Das war eine wichtige, politische Bewegung, zu der Hašek gehörte. Aber er hat gleichzeitig diese wunderbare „Partei des gemäßigten Fortschritts im Rahmen der Gesetze“ gegründet.
Eigentlich doch völliger Unfug.
Das war purer Dadaismus. Martin Sonnenborn und seine Anhänger von „Die Partei“ sind späte Kinder dieser Gründung. Dieser Hašek war eine wahrhaft schillernde Figur. Nachdem er desertiert war, stand er mit der tschechischen Legion auf der Seite der Romanovs, dann kam er zur Masaryk-Bewegung und als er sich dort verraten fühlte, ging er zur Roten Armee und wurde Politkommissar in Sibirien. Er hat in dieser Zeit, zwei Jahre lang, keinen Alkohol getrunken und wurde dann als Agitator zurückgeschickt nach Tschechien, aber da hat man ihn beinahe gelyncht. Von seiner Art her war er ein „Mädchen in Männerhosen“, ein Freund hat ihn einmal so genannt. Der Schweijk ist sein Alter Ego, das muss man ganz klar sagen, und dieser Schweijk ist nicht dumm, der stellt sich noch nicht einmal blöde, er wird nur, weil er nicht fassbar ist und deshalb unangreifbar bleibt, von den Herrschenden als blöde dargestellt.
Frankfurter Rundschau, 17.10.2014, FREIZEIT