Auf den ersten Blick
Auf den ersten Blick ruft es die geschmäcklerischen Begriffe wie »Autorenkino« oder »Regietheater« in Erinnerung. Als seien Filme ohne deren Autoren, oder Theater ohne Regie überhaupt möglich. Beim näheren Hinschauen wird die Botschaft des neuen »Frankfurter Autoren Theaters« verständlicher, hinter dem sich das ehemalige »Theater in der Brotfabrik« alias »Primadonna/Schwerer Held« verbirgt.
Wolfgang Spielvogel, eigenwilliger Stückeschreiber, Regisseur, Produzent und Querdenker möchte Frankfurt zu mehr literarischen Selbstbewusstsein verhelfen. Indem er ausschließlich Stücke solcher Autoren auf die Bühne bringen will, die in Frankfurt schreiben, sich im Schnittpunkt des integrativen Milieus zuhause fühlen und/oder das Lebensgefühl dieser ungeschminkten Stadt exemplarisch schildern können oder wollen. Wie Thea Dorn: die soll in dem Stück »Die neue F-Klasse« eine Frauenelite entwerfen dürfen. Die allgegenwärtige Eva Demski lässt einen anarchischen Anwalt mit jugendlichen Strichern schlafen, Büchner-Preisträger Wilhelm Genazino darf mit Martha, der Protagonistin seines Stücks, schwitzen. Und Bodo Kirchhoff, selbsternannter Schwarm aller Frauen und Egomane, lässt seinen Protagonisten im Monodram »Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht auf« (bei Thomas Bernhard würde der Titel weitergeführt »…und lässt Herrn Kirchhoff nackt im Regen stehen«) sich mit Worten entblößen um zu beweisen, dass sich wahre Erotik angeblich im Gehirn abspiele.
Starten soll´s am Premierenwochenende vom 7. bis 9. September 07 zunächst mit zwei Inszenierungen des kürzlich verstorbenen Frankfurter Karikaturisten und Stückeschreibers F. K. Waechter, nämlich mit Szenen aus »Die letzten Dinge« und der »Eisprinzessin«. Die schöne, wilde, kalte Eisprinzessin, die sich in die Träume der Männer schleicht, aber sich nicht in die »stinkenden, warmen Betten« derselben zwingen lässt. »Allerschönste Frankfurter Prägung« sei der Spielplan und ein Provinztheater im besten Sinne soll entstehen, abseits von Volkstheater und seichter Komödie. Robert Gernhard, Chlodwig Poth, Cora Stephan, Wolfgang Deichsel (und, von mir hinzugedacht, Gert Loschütz) sollen Nachhilfelehrer für diese Geisteslücken werden. Und manchmal soll (und will) natürlich wieder Meister Spielvogel selbst zu Wort kommen, dem als unüberhörbar schwäbischem »Eigeplackten« die Frankfurter Ton- und Denkart längst die eigene geworden ist. Wenn´s denn so anarchisch wird, wie´s die Ankündigungen hoffen lassen, dann freue ich mich auf ein Theater, das meinetwegen »Autorentheater« heißen darf, weil Autoren dahinterstehen – das in der Brotfabrik einen geistigen Marktplatz finden könnte. Wie gewohnt mit Wein, Brot und Diskussion als Abgesang an jede Aufführung.
Toi! Toi! Toi!
(hav)