Simon Borowiak über „Das Sofa – ein Beziehungsschlamassel in 5 Akten“

Krise muss sein
Simon Borowiak über sein Stück „Das Sofa – ein Beziehungsschlamassel in 5 Akten“.

Herr Borowiak, Ihr Stück liest sich sehr flott – kommen die Zuschauer da nicht außer Atem?

Das scheint eine echte Herausforderung für die Dramaturgie zu sein. Die Gedankenspiele kommen doch ziemlich dicht an dicht. Da müssen die Schauspieler penibel dosieren.

Das Sofa spielt ja eher eine Nebenrolle. Warum haben Sie das Stück nicht nach der Hauptakteurin Cara benannt?

Ich dachte, „Das Sofa“ ist hübsch abstrakt und nimmt nicht zu viel vorweg. Inzwischen denke ich, ich hätte einen längeren, komplizierteren und die Geschichte schon mal einläutenden Titel nehmen sollen. Zum Beispiel „Die Zerstörung der Normalität in der Zeit, die man braucht, um ein Sofa zusammenzubauen.“

Cara ist energisch, blitzgescheit und kann immer noch einen draufsetzen. Martin ist ein Langweiler, der in seiner Beziehung mit Sabine versumpft und dessen Witz sich meist aus dem Lakonischen speist. Warum interessiert sich Cara überhaupt für ihn?

Sie ist überhaupt nicht an der Person Martin interessiert. Cara ist besessen von einem Ideal, das er für sie verkörpert. Ein Ideal von Zugehörigkeit oder Ruhe oder Geborgenheit. Ein Ideal, das sie gleichzeitig verachtet, weil es für sie unerreichbar bleibt.

Woraus speist sich Caras enorme, oft negative Energie?

Das ist die Energie des Chaos. Cara ist doch eher ein androgynes Durcheinander aus dem Wunsch nach dem, was wir Normalität nennen, und gleichzeitig dem Hass darauf.

Und woher kommt ihre Abneigung gegen Silikonbrüste?

Caras üble Nachrede von wegen Silikonbusen ist im Falle Sabines so schön unsachlich, so grob daneben, wie es einer Cara geziemt. Außerdem ist „Silikonbusen“ so schön – äh, plastisch. Es ist besser vorstellbar, dass jemand in der Wohnung über einen Silikonbusen stolpert als über ein Botox-SchlauchbootGesicht.

Es geht im Stück zwar nicht darum, ein den Göttern gerechtes Leben zu führen, aber klassisch ist es durchaus. Fünf Akte, Höhe- und Wendepunkt im dritten, Katastrophe im letzten. Nur – die Katastrophe ist genau betrachtet ein Glücksfall. Warum stellen Sie die Entwicklung dann als Unglücksfall dar?

Krise muss offenbar sein. Und natürlich erleben wir Krisen lieber aus zweiter Hand als am eigenen Leibe. Also: An Krisen partizipieren, ohne sich selbst die Biografie schmutzig gemacht zu haben. Das ist doch ein Sinn aller Künste, oder?

Woher kommt Ihrer Meinung nach dieses Verhaltensmuster?

Wahrscheinlich aus der Ahnung oder Erfahrung, dass uns nix zufliegt. Und der lebenslänglichen Enttäuschung darüber, dass das Leben kein verdammtes Zuckerschlecken ist.

Ihre Satire „Frau Rettich, die Czerni und ich“ war ein großer Erfolg als Buch. Der spätere Film schaffte es nicht ganz, den wunderbaren Sprachwitz des Buches in sein Medium zu übernehmen. Ist „Das Sofa“ der Versuch, Satire direkt für die schauspielerische Darstellung zu schreiben?

Ich war so naiv zu glauben, dass in einem Theaterstück nicht ganz so viele Köche im Brei herumpfuschen könnten wie in einem Drehbuch und das von mir intendierte Gleichgewicht zwischen Derbheit und Subtilität besser transportiert wird. Da habe ich aber die Rechnung ohne die Regie gemacht. Als ich las, dass in einer anderen Sofa-Inszenierung Cara Martin so handelsüblich anbaggert, wie sich der kleine Bagger von Nebenan das Baggern vorstellt, da wurde ich so wütend wie beim Betrachten des Rettich-Films und dachte: Na super! Theaterstücke können die also auch zerstören!

Und was spricht nun dafür, sich „Das Sofa“ im Frankfurter Autorentheater anzuschauen?

1. Spaß haben. 2. Eine etwas andere Sichtweise ausprobieren. 3. Nach Hause gehen, und – je nachdem – sich an der eigenen Beziehung neu erfreuen oder sie endlich beenden.

Interview: Thorsten Herdickerhoff

zur person
Simon Borowiak wurde 1964 in Frankfurt geboren. Unter dem Namen Simone Borowiak arbeitete er in den 80er Jahren beim Magazin Titanic, 1992 erschien der satirische Erfolgsroman „Frau Rettich, die Czerni, und ich“. Es folgten weitere Erzählungen, das autobiografische Sachbuch „Alk“ und jüngst „Wer Wem Wen – Eine Sommerbeichte“ im Eichborn Verlag. Zurzeit arbeitet Simon Borowiak an zwei Romanen, einem medizinischen Sachbuch und einem Theaterstück. Erscheinungsdaten stehen allerdings noch nicht fest. „Das Sofa“ stammt aus dem Jahr 2000, es wurde in den Magdeburger Kammerspielen uraufgeführt und in Detmold gezeigt. In Frankfurt wird es nun als Produktion des maintheater Frankfurt in Kooperation mit dem Frankfurter Autoren Theater gespielt.

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