Er würde ja nie, aber er schon

Deichsels „Rott“, ein Krimi mit multpler Persönlichkeit, in der Brotfabrik Frankfurt

So geradeheraus unheimlich und bizarr ist „Rott. Das Monster im Verhör“, dass man auch schon wieder darüber lachen darf, was für komplizierte Gedankengänge und seltene dissoziative Störungen in Kriminalgeschichten aufgefahren werden, um das Publikum zu frappieren. Zugleich weiß man nicht recht, woran man ist. Wie ernst soll man es nehmen, dass der Mann, der entweder ein irrer Mörder oder ein bloß mörderisch Irrer ist, am Ende als möglicher Prototyp des künftigen, effizienteren Menschen dargestellt wird? Gewiss könnte es theoretisch betrachtet praktisch sein, als multiple Persönlichkeit in jeder Lebenslage die richtige Person zur Hand zu haben. Zum Beispiel einen Mörder, wenn es einen zu ermorden gibt. Und ein Unschuldslamm, wenn anschließend die Ermittlungen laufen. Beim Automatenmenschen schlägt der Grusel wieder ins Hochstaplerische um

Rott scheint dafür allerdings kein sehr funktionstüchtiges Beispiel zu sein. Rott ist nicht glücklich. Sein Unterhaltungswert dagegen ist so groß, dass auch der übernächtigte Hauptkommissar Lust hat, ihm eine Weile zuzuhören (bis, ja bis ….). Wolfgang Deichsels Horror-Krimi-Konversationsstück wurde – mit Michael Quast in der Titelrolle – 1999 uraufgeführt. Jetzt ist es zum ersten Mal in Frankfurt zu sehen.

Die Produktion des maintheaters im Frankfurter Autoren Theater in der (gut geheizten!) Brotfabrik lässt den Handlungsverlauf dabei zwischen Farce und Thriller pendeln, wie es im Buche steht. Die kurzen Szenen werden von Dunkelheit und Schaudertönen getrennt, zwischen den Plastikfolien im derzeit im Umbau befindlichen Kommissariat hat Rott einen anständig grausligen ersten Auftritt. Detlev Nyga schafft es, die Angst zu verbreiten, die unberechenbar Gestörte stets mit sich bringen. Auch als Multipler hat er einiges zu bieten. Ist Rott aber der Automatenmensch A2, dann schlägt der Grusel doch wieder ins Lachhafte und Hochstaplerische. Viktor Vössing als Hauptkommissar Koepke, gegenwärtig Leiter der Soko Ripper, ist ein abgebrühter Mann. Zwischen Anrufen verrückter Trittbrettfahrer und seiner Frau Binchen die sich wegen des langen Ausbleibens der Tochter sorgt, hat ihm einer wie Rott gerade noch gefehlt. Ihm zur Seite nur Assistent Assmann, Johannes Christopher Maier als Ungestümer. Im Gegensatz zur Werbung ist der Krimi jungen Menschen gegenüber häufig skeptisch.

Das Üble an derlei Geschichten ist auch immer, dass es keinen Ausweg gibt

Koepke ist naturalistisch – und Vössing spielt ihn auch so -, selbst wenn Deichsel ihm manchmal zu pfiffige Wendungen in den Mund legt. Der Autor, Sohn eines Kriminalen, weiß aus eigener Anschauung, wovon die Rede ist. Regisseur Wolfgang Spielvogel gibt unterdessen auch der fortschreitenden Kolportage genug Lässigkeit mit, so dass es immer vor allem ein verrückter Abend bleibt. Selbst wenn womöglich gleich noch einer erschossen wird. Ach nein, doch nicht.

Denn übel an derlei Geschichten ist auch immer, dass es keinen Ausweg gibt. Deichsel demonstriert das mit dem einfachen, aber wirkungsvollen Kniff, dass Rott den Ausgang nicht findet. Während es für die Figuren also noch lange nicht vorbei ist, wird nach knapp anderthalb Stunden sozusagen das Licht ausgeschaltet, und wir dürfen hin, wohin wir wollen.

Quelle: Frankfurter Rundschau, 12. Januar 2009. Artikel von Judith von Sternburg

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