Die Prophetin aus dem Wal

Der abgewrackte Typ sagt: „Eigentlich konnte nichts schief gehen.“ So fängt es immer an, wenn es inzwischen gewaltig schief gegangen ist, auch in dem skurrilen Post-Apokalypse-Stück „Nimskys Taube“, das der Frankfurter Lyriker Peter Kapp geschrieben hat.

Die Welt ist offenbar weitgehend untergegangen. Eine Sintflut? Ein Tsunami, der nicht richtig ablaufen konnte? In einem anscheinend gut abgedichteten Hochhaus redet sich eine Gruppe Peenemünder Wissenschaftler die Köpfe heiß und verliert langsam die Nerven. Der Chef, Professor Nimsky, stellt unermüdlich Flugobjekte her, die nach Rettung, Festland und anderen Überlebenden der großen Flut Ausschau halten soll.

Dass er das Wort „Gott“ aus dem Munde seiner Assistenten nicht erträgt er selbst führt es ständig unnütz , hindert ihn nicht daran, à la Noah auf das Modell Taube zu setzen. Seine Mitarbeiter sind teils verliebt, teils entwickeln sie religiöse Wahnideen. Als ein Wal auftaucht, mit dem eine freundliche Ex-Reisebüromitarbeiterin namens Jona unterwegs ist, um die Menschen zu warnen zu spät, wohlgemerkt! , stellt sich allerdings die Frage, ob das tatsächlich nur Wahnideen sind. Mehrere U-Hochhaus-Bewohner steigen in den Wal um.

Zu sehen ist das in einer 70-minütigen Rückblende, rekonstruiert von Nimskys Mitarbeiter Ray, den man am Anfang einsam wie einen Gestrandeten zwischen Papierschiffchen auf der Bühne des Frankfurter Autorentheaters in der Brotfabrik antrifft. Hier ist das Teatrum VII zu Gast, Sascha Weipert inszeniert die Uraufführung von „Nimskys Taube“, einem Stück, in dem man sich erst einmal zurechtfinden muss. Die Darsteller helfen einem nicht dabei, setzen auf Künstlichkeit und eine somnambule Atmosphäre: Dirk Zill als Erzähler Ray, dazu Bianca Bernt, Tatiana von Kutzleben und Walter Jauernich, die für kurze Momente die Rollen tauschen. Wie Ray sollen wir nie zu festen Boden unter den Füßen haben.

Das Erklärungslose ist der Charme des Stücks. Zumal es nicht verhindert, dass den Wissenschaftlern ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wird. Ausgerechnet die Experten die die Katastrophe sogar mitverursacht haben könnten werden jetzt zu Verrätern der eigenen Sache und aller anderen Sachen auch: driften ins Religiöse oder ins Private, versuchen abzuhauen. Den Tüftler Nimsky interessiert nicht eine Lösung des Problems, sondern ein Versuchsfeld für seine Automaten. Als nächstes will er es mit einem Goldfisch versuchen. Fit für das Überleben ist keiner dieser ehemaligen Schlaumeier. Das hat nichts Tröstliches.

Die Kritik von Judith von Sternberg erschien in der Frankfurter Rundschau vom 13. Juli 2009 unter dem Titel: „Die Prophetin aus dem Wal. Ein Stück von Peter Kapp in Frankfurts Brotfabrik“

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