Eroberung, einmal hin und zurück
Eroberung, einmal hin und zurück
Kritik von Stefan Michalzik in der Frankfurter Rundschau, Ausgabe 28
Nichts ist vergänglicher als ein großes Gefühl. Alsbald tritt die erbarmungslose Wirklichkeit eines Verschleißes unter den Zumutungen von Alltag und Dauer an seine Stelle. „Tropfen auf heiße Steine“, das erste Stück von Rainer Werner Fassbinder, geschrieben 1965 mit 19 Jahren, im Nachlass entdeckt und 1985 uraufgeführt, handelt in einer nachgerade lakonisch kargen Unmittelbarkeit vom Scheitern der Liebe.
Der junge Franz landet ohne Umschweife im Bett des doppelt so alten Versicherungsreisenden Leopold, der ihn auf der Straße angesprochen hat. Ein Schlaglicht weiter schon sieht er sich in eine möbelstückgleiche häusliche Rolle gedrängt: Mann und Mann sind, zumindest in der Sicht dieses Stückes, auch nicht anders als Mann und Frau. Schließlich setzt Franz´ einstige Verlobte Anna zur Rückeroberung an. Leopold platzt unerwartet in eine eindeutigen Situation herein – seine langjährige Geliebte Vera im Schlepptau. Heilige Wirrsal.
Die Regisseurin Sylvia Hoffmann, die viele „Tatort“-Folgen gedreht hat und sonst am Fritz-Rémond-Theater inszeniert, hat am Frankfurter Autorentheater in der Brotfabrik die frühe Hervorbringung des kurzzeitigen Frankfurters Fassbinder bruchlos aus dem Milieu der sechziger Jahre in die Zeit von Laptop und Handy transferiert.
Die Boulevardkomödie ist im Text ebenso angelegt wie das Melodram. Sylvia Hoffmann vermag es, das eine mit dem anderen triftig in Beziehung zu setzen. Dergestalt eröffnet sich in der Inszenierung eine Dimension des Absurden. Ionesco ist nicht weit.
François Ozon hat in seiner auf das Jahr 2000 zurückgehenden Filmadaption mittels des voyeuristischen Blicks eine Distanz-Ebene in die Sicht auf die Personen einbezogen. In einer anderen Weise schafft auch Sylvia Hoffmann Distanz. Das Quartett, das nicht umsonst vor dem Hintergrund eines Wahrhol-bunt seriell vervielfachten Leopold-Konterfeis spielt, das man im Halbdunkel, vor Beginn, noch für Fassbinder halten konnte – Ausstattung: Christiane Pateisky – zeichnet Theaterfiguren von plastisch deutlichem Strich. Ob des Abstands zur blanken Karikatur, den das hervorragende Ensemble mit Viktor Vössing (Leopold), Dennis Pfuhl (Franz), Julia Schneider (Anne) und Verena Wüstkamp (Vera) einhält, geht das glänzend auf. Die Komik, die alledem innewohnt, hat so überhaupt nichts Befreiendes. Kein Erbarmen.
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