Mit der Flex an das Gleis


Der Schäferhund im Gras, der Storch im Salat und die Madonna im Kreis der Heiligen – so zeigt das Bühnenbild die heile Welt im Winkel, bevor die Globalisierung und mit ihr der Zwang zur betriebswirtschaftlichen Daseinsberechtigung einzogen. Die Menschen im blauen Bahnerdrillich oder im geblümten Bauernzwirn verteidigen ihr gewohntes Leben nicht nur aus Bequemlichkeit. Sie haben keine Alternativen für die abgebauten Stellen und versteigerten Wohnungen.

Den wirtschaftlichen und sozialen Totalschaden in einem Provinzwinkel entfaltete der Filmautor Klaus Gietinger 2001 in seiner Komödie „Heinrich der Säger“, die Wolfgang Spielvogel jetzt mit dem Frankfurter Autoren Theater auf die Bühne gebracht hat. Dabei bleibt das Stück weitgehend an der Vorlage, tauft Storchenroda nur in Bärenfeld und nicht gleich in Stuttgart um. Allein die Ossi-Wessi-Komponente des Dramas geht verloren und bleibt auf die mundartliche Zuweisung des Helden beschränkt.

Dieser Held, der sich nachts mit der Flex an den Gleisen zu schaffen macht, um es dem zum Logistikkonzern gewandelten Beförderungsmonopolisten zu zeigen, hat freilich nichts von der seiner Rolle zukommenden Tragik. Er hadert mit seinem beruflichen Ende mit der gleichen Energie wie mit der Aufsässigkeit der Tochter. Und deshalb bleibt die Affäre nicht nur örtlich festgelegt auf die typischen Schauplätze wie Bauernstube, Wirtshaus und Friedhof, auch dramaturgisch bleibt die Konstellation auf Linie der Lokalposse. Die Gruppe der Gelegenheitsanarchisten geht eigentlich politisch unmotiviert, angesichts der als ungerecht erkannten Verhältnisse aber zweifelsfrei legitimiert ans Werk. Bezüge zu Wendland oder Stuttgart werden nicht dazugeschrieben. Dass hier ein politisches Thema ohne Ambitionen durch Zufall in eine Komödie geraten ist, belegen neben den in ihren Klischees lustvoll ausgemalten Typen so zeitlose humoristische Wendungen wie die Blumen, die der Postillon statt der Briefe bringt. Der knüppelnde Polizeikommissar spielt sich mit seiner Dummheit so drastisch in den Vordergrund, dass die vorübergehende Festnahme seiner schlitzohrigen Gegenspieler noch die größte Überraschung ist.

Autor: Jürgen Richter

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