Lichte Strahlen der Vernunft – FNP zum Hollywooder Liederbuch
Lichte Strahlen der Vernunft
Von Marcus Hladek
Schauspieler Edgar M. Boehlke und Sängerin Annette Kohler trugen in
Frankfurts „Brotfabrik“ Exiltexte Brechts und Vertonungen Eislers vor.
Eigentlich ist der 28. Juni ein historischer Unglückstag. Man denke nur an das Thronfolger-
Attentat von Sarajewo, das den Ersten Weltkrieg auslöste. Zum Glück entwickelte sich der
Vortrag von Teilen aus Hanns Eislers „Hollywooder Liederbuch“ und weiteren Texten
Brechts, eingerichtet von Ulrich Meckler, trotz der dusteren Exilthematik aber zum
beglückenden Erlebnis. Das konnte durchaus nostalgische Gründe haben. Boehlkes
Engagements am Frankfurter Schauspiel verbinden sich ja für viele bis heute mit
wunderbaren Inszenierungen Hans Neuenfels’, Peter Palitzschs und anderer im Jahrzehnt seit
1972. Wilfried Minks’ Öltonnen-„Penthesilea“ etwa steht wundersam plastisch vor Augen.
Wie Boehlke 1981 im Kammerspiel in Brechts Exil-Dialogen der „Flüchtlingsgespräche“
spielte, wie er als Ziffel genussvoll paffend das Vergnügen des Brechtschen Intellektuellen
am Denken der Dunkelheit entgegenhielt, blieb einer der stärksten Theatereindrücke aus
dieser Zeit. Man hätte rufen mögen: Kommt alle her! – Onkel Wanja ist zurück.
Beglückend fiel indes auch die karge, kein bisschen geschwätzige Gedicht- und
Liedrezitation selber aus, zu der Beate Jatzkowski die ungewöhnliche Begleitung auf
Akkordeon beisteuerte. Die Auswahl zeichnete im Kern die Exilstationen Brechts und seiner
„Großfamilie“, aus der später die vielen Witwen an seinem Grab hervorgehen sollten, vom
Sund in Dänemark über Schweden und Finnland bis nach Hollywood und zurück in die
Schweiz nach.
Die meisten Texte, fast durchweg kurze, lichte Strahlen der Vernunft und des trotzigen
Sichaufbäumens gegen die Resignation angesichts des politischen Stumpf- und Irrsinns,
wurden sowohl von Boehlke als auch von Annette Kohler-Welges schönem Mezzosopran zu
Gehör gebracht. Das hob an mit Brechts Motto zum zweiten Buch der Svendborger
Gedichte: „In den finsteren Zeiten / Wird da auch gesungen werden? / Da wird auch
gesungen werden / Von den finsteren Zeiten.“ Und es endete, die Bronzebüste Eislers immer
noch auf Boehlkes Lesetischchen, mit den Schlussversen des Gedichts „An die
Nachgeborenen (I)“, die er uns stehend, aus dem Gegenlicht heraus, im vollen strahlenden
Glast seines kunstvollen Pathos’ wie um die Ohren schlug: „Ich wäre gerne auch weise . . .
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!“ Ein kleiner, ein bescheidener – ein zutiefst
bewegender Abend.
© 2013 Frankfurter Neue Presse
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