Gott ist kein Affe
Gott ist kein Affe
Das Frankfurter Autoren Theater beginnt sehr lustig mit „Frühes Drängen“ von Friedrich Karl Waechter
Artikel in der FR von ULRIKE KRICKAU
Wo haben sie nur dieses Gorillakostüm aufgetrieben? Mit einem Ausdruck des Missfallens im Blick und heruntergezogenen Mundwinkeln beobachtet der Affe die Umbauten und spielt dabei auf dem Akkordeon. Aber er ist nicht Gott, obwohl der zu den letzten Dingen gehört wie in der Brotfabrik der Affe zum Akkordeon. Doch Gott hat seinen eigenen Auftritt und sieht ganz anders aus.
Mit sechzehn Szenen aus „Die letzten Dinge“ von F.K. Waechter ist das neu gegründete Frankfurter Autoren Theater an den Start gegangen – und überzeugt damit sofort. Das gelingt nicht zuletzt dadurch, dass man dem 2005 gestorbenen F.K. Waechter auf der Bühne die Spielwiese zurückgibt, auf der er sich vor vielen, vielen Jahren dem Publikum im Frankfurter Schauspiel vorstellte: Zwei Clowns spielen das Paar, das sich immer neuen, letzten Herausforderungen stellen muss.
Sie haben’s begriffen
Erst vor wenigen Monaten haben Rebekka Bimschas und Till Toth ihre Ausbildung zu Clowns abgeschlossen. Was immer es dort zu lernen gab: Die beiden haben es begriffen. Rebekka Bimschas ist mit dem filigranen Schwarz-Weiß-Muster im Gesicht die Schöne, Till Toth mit Strubbelhaar der Chaot, fein verbinden sie die körperhafte Ausdrucksweise der Clowns mit dem wortflotten Text von Waechter.
Da kommt es zum Beispiel trotz bürgerkriegsähnlicher Zustände in St. Goarshausen zum Beischlaf im liturgischen Singsang zwischen dem Chef und seiner Sekretärin, und das Ganze wird unter Zuhilfenahme eines Stuhls zu einem akrobatischen Akt.
Zum Akt kommt es auch in der Szene, die dem Abend den Titel gibt. „Frühes Drängen“ treibt den Knaben um, im Arztkittel des Vaters erteilt er das Gynäkologen-Kommando zum Ausziehen. An einer weiteren Herausforderung scheitert der junge Mann mit dem Berufswunsch Räuber allerdings. Obwohl er eifrig geübt hat, entgleitet ihm das Kommando „Geld oder Leben“ zu einem dadaistischen Wortspiel, das ganz nebenbei auch noch zeigt: Die Clowns haben nicht nur das fein dosierte Lustigsein, sondern auch das Sprechen gelernt.
Mit Flügeln im Aufwind
Oder hat es ihnen Wolfgang Spielvogel beigebracht? „Die letzten Dinge“ inszeniert er mit einem Schwung, der wunderbar zu den Flügeln im Aufwind passt, die sich das Frankfurter Autoren Theater zum Markenzeichen erkoren hat. Wie bei Waechter ist auch bei Spielvogel die Grenze zwischen Tief- und Blödsinn außer Kraft gesetzt. Obendrein werden die Umbauten der mit Tisch, Stühlen und Requisitenkoffer spärlich möblierten Bühne von Sabine Eilers zu sorbetleichten Zwischengängen mit eigenem Nährwert – nicht zuletzt dank der Musikerin Beate Jatzkowski, die im Affenkostüm steckend Akkordeon spielt.
Das alles ist fein und unterhaltsam und vermittelt auch noch neue Erkenntnisse über Gott. Der ist grauhaarig, heißt jenseits der Bühne Michelangelo Ragni, spricht mit italienischem Akzent, trägt einen grauglänzenden Kummerbund und ruft bei dem Clown-Pärchen an, um seinen Besuch anzukündigen. Kurz wird aufgeräumt, und dann kommt zur Sprache, dass die beiden sich eine selige Zukunft verscherzt haben. Aber noch ist nicht alles verloren. Gottes Zorn lässt sich besänftigen. Mit einer Zigarette und Fischlis.
Der Artikel erschien in der Frankfurter Rundscha vom 10. September 2007