Liebe, Laster, Leidenschaft

Liebe, Laster, Leidenschaft

Waechters „Frühes Drängen“ beim „Frankfurter Autoren Theater“

Es gibt diese Tage, da bliebe man lieber im Bett. Noch müde, verkartert und mit sich und der Welt am frühen Morgen noch per Sie, stellt man sich den großen Fragen eher zögerlich. Und auf ein nettes Plauderstündchen mit dem Herrgott ist man erst recht nicht versessen. Doch weiß der Himmel oder wenigstens die gute alte Telekom warum: Es klingelt. ER ruft an. Ob es denn möglich sei, nur mal kurz vorbeizuschauen. Und schon ist man hellwach. Denn was soll man da bloß machen? Schließlich geht es um unsere Zukunft in paradiesischen Gefilden. Und bei uns ist nicht mal aufgeräumt. Sei´s drum, kaum aufgelegt, ist ER schon da.

Das kann ja heiter werden in der Frankfurter „Brotfabrik“, wo Wolfgang Spielvogel seine Bühne als „Frankfurter Autoren Theater“ neu erfunden hat und jetzt mit „Gott ist dran“ und fünfzehn weiteren Szenen aus F. K. 
Waechters „Die letzten Dinge“ im besten Sinne komische Premiere feierte. 
Denn ob Freund Hein zum letzten Mal den Sendeschluss verkündet, ein Straßenräuber scheitert, weil er sich den Text nicht merken kann oder eben der liebe Gott persönlich in der guten Stube sitzt, unseren Cognac trinkt und unsere Zigaretten raucht: Waechters „Die letzten Dinge“ 
verhandeln in einer Handvoll Zeilen all die großen Fragen um Gott und die Welt, um Liebe, Laster, Tod und Leidenschaft, mal kalauernd, mal poetisch und nicht selten mit schwarzem, leicht melancholischem Humor.(…)

Spielvogel (…), der wie Waechter, Robert Gernhardt und all die anderen komischen Eleven der Neuen Frankfurter Schule weiß, wie nahe Komik und Tragik beieinanderliegen, muss für seine „Frühes Drängen“ überschriebene Auswahl aus Waechters Texten Theaterbilder finden. Und setzt auf einen zunächst durchaus nahe liegenden, vielleicht allzu nahe liegenden und folglich etwas abgegriffenen Effekt. Mit Rebekka Bimschas und Till Toth sind es zwei Clowns, die sich als Räuber, Tod und dummer August den banalsten wie den allerletzten Fragen stellen, das Publikum beschimpfen oder merkwürdige Anrufe von Gott (Michelangelo Ragni) und manchmal auch der Welt entgegennehmen. Das kann man machen, und über weite Strecken geht dieser Regieeinfall sogar überraschend leicht und frei von falschen Sentimentalitäten auf. Dass das Spiel der ausgebildeten Clowns indes trotz vorsichtig dosierten Slapsticks und einiger pantomimischer und akrobatischer Einlagen Waechters großer Komik nicht in jedem Fall gewachsen ist, lässt sich in der einen oder anderen kurzen Szene gleichwohl nicht übersehen.

Der zweite zentrale Einfall dieser Inszenierung scheint derweil kaum weniger gewagt, um nicht zu sagen ziemlich abgedreht. Schließlich hat man einen ausgewachsenen Gorilla schon eine ganze Weile nicht als Pausenclown gesehen. Doch wenn Beate Jatzkowski als melancholisch dreinblickender Affe die geschickt arrangierten Szenenwechsel auf dem Akkordeon begleitet, Chanson und Tingeltangel, Bach und Tango intoniert, dann variiert sie ebenjenen Klang, der nicht nur Waechters „Letzte Dinge“, sondern letztlich jede wahre Komik ganz beiläufig grundiert. 
Ein Ton, der bis zum Ende dieses heiteren Abends trägt, wenn der liebe Gott seinen Cognac ausgetrunken und der Straßenräuber stotternd aufgegeben hat und auch Freund Hein zumindest bis auf weiteres längst wieder verschwunden ist. (…)

Autor: Christoph Schütte
Die vollständige Fassung des Artikels finden Sie u.a. im FAZ-Archiv (www.faz.net)

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