„Wer hört mir eigentlich noch zu?“ [Badische Neueste Nachrichten, 24.1.2011]

Das Stück BUBACK war auf der Bühne des Karlsruher Insel-Theaters zu sehen.

„Wer hört mir eigentlich noch zu? Keiner. Allenfalls aus Höflichkeit, so wie man jemandem zuhört, von dem man eigentlich denkt: der spinnt.“ Die Worte verklingen im Saal am Ende eines 110-minütigen Theaterstücks. Der Mann, der da so skeptisch sich äußert, er hat zuvor schwere Anklage erhoben. Nicht dreist, eher voller Zweifel. Nicht forsch, vielmehr durchdacht und intelligent – aber eben auch in der Erkenntnis, dass sich die Umwelt mit seiner Klage schwertut. Die Politik, die sich nicht nur einmal von den Anwürfen des Göttingers Professors genervt gezeigt hat. Die Bundesanwaltschaft, die sich redlich müht, seine Argumente zu entkräften. Aber auch die Öffentlichkeit, die viele Jahre Anteil genommen hat am Schicksal des Mannes, aber nunmehr Mühe hat, ihm zu folgen. Schlicht „Buback“ heißt das Stück, das vom Frankfurter Autorentheater jetzt als Gastspiel in der Karlsruher Insel gezeigt wurde –vor vollem Haus. Unter dem Publikum ist auch der Mann, der sich selbst auf der Bühne gespielt sieht: Michael Buback. 1977 starb sein Vater Siegfried – als Generalbundesanwalt Chefankläger der Bundesrepublik Deutschland – bei einem Attentat der RAF in Karlsruhe. Die Frau des Terroropfers und der Sohn haben sich 30 Jahre mit der bitteren Erkenntnisabgefunden, dass drei Männer an der Tat beteiligt waren. Just zum 30. Jahrestag aber hat ein Anruf des Ex-Terroristen Hans-Jürgen Boock und ein neu erwachtes Interesse an der RAF-Geschichte den Hochschullehreraufhorchen lassen. Seither treibt es ihn um, dass von den genannten drei wohl kein einziger direkt an der Untat beteiligt war.

Und dass gegen eine Frau, Verena Becker, trotz Tatverdachts, nie ermittelt wurde. Seither forscht Michael Buback auf eigene Faust, fragt bei den Behörden nach, sammelt Zeugenaufrufe– und hat manch Widersprüchliches entdeckt. Dass Bundesanwaltschaft und Bundesinnenministerium um eine verschwundene Akte stritten, ist ebenso eine Folge von Bubacks öffentlichkeitswirksam aufbereiteten Privatermittlungen wie auch die Wiederaufnahme des Prozesses gegen Verena Becker. „Jetzt können Sie doch zufrieden damit sein“, schallt es dem unermüdlichen Fahnder auf dem Theater-Off denn auch entgegen.„Bin ich aber nicht“, sagt der Professor im Gespräch während der Theaterpause. Michael Buback investiert Freizeit, Urlaub und Wochenende in sein Ringen um die Antwort, wer an jenem Gründonnerstag 1977 seinen Vater und dessen zwei Begleiter erschoss. Er hält Vorträge, schreibt mittlerweile einen blog im Internet (auf der Seite blog.zdf.de), und kaumeinen Prozesstag im aktuellen Verfahren gegen Verena Becker verpasst er. „Warum hat man sich darauf versteift, dass keine Frau an dem Attentat beteiligt war“, fragt Michael Buback. „Warum ist in der Anklageschriftvon drei Männern als unmittelbar Tat beteiligte die Rede? „

„Wenn ein Schatten auf die Behörde fällt, dann fällt ein Schatten auf alle, die redlich arbeiten“, heißt es in dem von Wolfgang Spielvogelerarbeiteten Theaterstück, dass sich inhaltlich an Michael Bubacks Buch „Der zweite Tod meines Vaters“ anlehnt. Das Theaterstückverzichtet darauf, zu deutlich Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber natürlich drängt sich die Kardinalfrage auf, die Michael Buback seit langem bewegt: Hielt da jemand eine „schützende Hand“ über die Terroristin Verena Becker?

Das Schauspiel kommt dramaturgisch mit schlichten Mitteln aus, leichte Vorhänge werden hin und hergeschoben um mal Rückblende, mal Aktualität zu vermitteln. Die sperrigen Informationen sind recht geschickt in die Dialoge verpackt und zum Schmunzeln gibt es hier und da Anlass. In bitterbösen Sentenzen werden Politiker und Bundesanwälte parodiert, etwa der frühere RAF-Ankläger PeterZeis oder das Ministerbüro des baden-württembergischen Innenministers Karl Schiess, das 1977 der trauernden Familie Buback ungelenk einen Besuch der gerade populären Stauferausstellung empfohl. Natürlich wurden auch der amtierenden Generalbundesanwältin Monika Harms und Bundesanwalt Rainer Griesbaum die zweifelhafte Ehre zuteil, Eingang in das Theaterstück gefunden zu haben. Wie lange das Stück noch aktuell ist? Morgen wird Hans-Peter Boock im Stammheimer Prozess gegen Verena Becker aussagen. Das wird für viel Aufmerksamkeit sorgen. Ob es darüber hinaus nochmal Schlagzeilengibt, ob es jemals ein Bekenntnis zum Mordanschlag vom Gründonnerstag 1977 geben wird, ist höchst unsicher.

Michael Buback aber sagt zu seiner Frau auf der Bühne: „Soll ich aufhören mit allem? Soll ich Ruhe geben? Das kann ich nicht.“

Autor: Klaus Gaßner

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